Contenance – und nen Scheiß muss ich!

Der zweite Advent steht uns bevor und ihm folgen in zwei Wochen die Weihnachtsferien. Und schon sind wir ohne großes Geplänkel beim Thema.
Ferien – ich denke, mit diesem Wort hat schon so manch eine Ehekrise begonnen. Laut Statistik liegt die Scheidungsrate nach Weihnachten 10 Prozent höher als die des gesamten Jahres. Als Grund dafür geben die Institute zu hohe Erwartungen auf eine perfekte gemeinsame Zeit und ein ebenso perfektes Fest an. Kann ja gar nicht sein…..
Es ist schon erstaunlich, in der Zeit, in der es darum geht zur Ruhe zu kommen und friedlich miteinander die Festtage zu verbringen, entlädt sich nicht selten ein Feuerwerk der Emotionen. Quasi ein wasichdirschonimmersagenwollte Jahresrückblick, der weit über die Zahnpastatube, den Klodeckel und die versäumten Blumenanlässe hinausgeht. Während sich im Alltag jedes Deiner Familienmitglieder seinem Soll daheim entziehen kann, sind geschlossene Büros, Kitas und Schulen doch eine Herausforderung für die ganze Familie.
Hinzu kommen die, ja bereits eingangs erwähnten, hohen Erwartungen an die Festtage. Dieses Jahr wird alles anders. Ich unterziehe mich einem Selbstversuch und bemühe mich zumindest meine Erwartungen gering und die Harmoniezecken in Schacht zu halten. Mein Motto für fröhliche Weihnachten dieses Jahr lautet: nen Scheiß muss ich!
Und mein Schlachtplan sieht folgendes vor:
1. Bekannte Reibungspunkte im Vorfeld elegant und ohne großes Aufsehen eliminieren. Ganz weit oben bei uns das Thema Schwiegereltern. Dies habe ich cleverer Weise bereits im Sommer schon elegant lösen können. Denn es gibt auch Tage zwischen den Jahren, an denen man auch gleich viel mehr Zeit und Muße hat, dem angeheirateten Teil der Familie eine Brause und Torte in die Hand zu drücken. Dank der regelmäßigen gut gemeinten Ratschläge per Telefon, ist man so oder so bzgl. des Wohlbefindens von Oma und Opa immer up to date. Der Austausch Kindergeschenke gegen warmes Essen kann somit auch nach Feiertagen erfolgen.
2. Kommen wir nun direkt zum schwierigsten Punkt meines Planes: Contenance. Im Klartext: sollte meine Familie nicht das machen, was besprochen war, oder sich und alles daran haftende überall nur fallen lassen, lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Auch beim Großeinkauf für die Weihnachtstage bewahre ich Contenance. Selbst wenn mein Mann zuverlässig mit seiner Kritik um die Ecke kommt, ich würde immer nur abgehetzt durch die Regale fliegen und das Einkaufen nicht genießen können. Auch hier werde ich Contenance bewahren und ihm im Gegenzug nicht vorschlagen aus seinen Meetings mal Gedankenpicknicks zu machen.
3. Letzter Punkt meines Schlachtplanes: außer mir ist keiner perfekt und beides habe ich im Griff. Ich akzeptiere, dass ich die einzige Bewohnerin unserer Familien-WG bin, die den Dreck und die Unordnung sieht (der Glaube versetzt Berge) und Interesse daran hat, beides zeitnah zu entsorgen. Bedeutet, ich lasse meinem Mann dieses Jahr ohne Unwetter sein Bermuda Dreieck Bett, Sofa und Küche (sofern es sich um eine Wohnküche mit Esstisch handelt) bereisen. Und auch wenn er auf dem Weg von A nach B oder auch C verloren geht – atme ich durch und bleibe gelassen, denn er taucht wieder auf. Spätestens wenn die Kinder schlafen und andere Zonen privater Natur angesteuert werden können. Somit akzeptiere ich im Vorfeld, dass sich meine Armee im Kampf gegen Unordnung, dreckiges Geschirr und Brausenleergut halbiert. Sollte er widererwartend den Schlenker aus seinem Dreieck wagen um mir beizustehen, auch gut.
Bedeutet für mich, ich muss den Perfektionismus an den Nagel hängen. Wäsche wird erst dann gemacht, wenn Boxershorts oder das Lieblingsoberteil der Sprösslinge fehlen. Einkaufen zu gehen reicht aus, wenn Gemüsereste seine Kulturen im Kühlschrank anlegen und selbst die Pasta Vorräte aufgebraucht sind. Und ich bin mir sicher, dann kommt plötzlich die ein oder andere helfende Hand aus dem Nichts. Denn kurz vor knapp ungestillter Bedürfnisse ist die Anzahl der Soldaten im Haushaltskampf am größten, wenn auch nicht selbstlos und aus freien Stücken.
Ob dieser Plan für mich dieses Jahr aufgeht bleibt abzuwarten, denn spätestens wenn ich dreimal über die Schuhe der Kinder und den Jacken meines Mannes vorbeigelaufen bin, höre ich wieder meiner inneren Stimme zu: “wie sieht es denn hier aus, willste nicht MAL EBEN?” Meine Antwort für diese Ferien lautet: nen Scheiss muss ich!
Mit dieser Gelassenheit finden vielleicht alle ihr “Ferien Happy End”. Denn das Bermuda Dreieck bleibt unentdeckt, der Nachwuchs kann mal eigenen Regeln folgen und ich freue mich über ein Stück zurück gewonnene Autonomie meinem sonst so rastlosen Perfektionismus gegenüber. Und ich habe mehr Zeit für meine Etage. Ob es geklappt hat, werde ich Euch im neuen Jahr brühwarm erzählen.
Bis dahin einen schönen 2. Advent und Mädels – Contenance!
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