Das Stammtischniveau einer Ehe

Wer stellt seine Wünsche vermehrt hinten an? Wer fühlt sich wie vernachlässigt und wer hat mehr Baustellen zu bearbeiten? Kurzum, wessen Bedürfnisse kommen hier eigentlich massiv zu kurz? Das Battle um das härtere Los wird schon direkt nach der Geburt mit neuen und strafferen Regeln aufgesetzt. Was vorher noch als Ermessensache unentschieden beigelegt wurde, wird künftig auf Grund der neuen fremdgesteuerten Selbstaufgabe nur ad acta gelegt, wenn einer verbal die Flagge hisst. Die “Familien To Do’s” werden nach einem Argumentekatalog verteilt und das gleiche Prinzip greift im Kampf um den persönlichen Freiraum. Das vermeintlich schlechte Gedächtntis der Männer funktioniert in diesen Battles auf Hochtouren. Mann wächst über sich hinaus, wenn es um die Aufzählung der Anwesenheit bei Schulfesten, handwerklichen Ausbesserungen und Blumenpräsenten geht. Gleichzeitig überkommt ihn unwillkürlich eine leichte Amnesie, wenn es um die Quantität vergangener Männerabende und deren unübersichtliches Ende geht.
Schnell wird aus einem Schlagabtausch über alltägliche Dinge eine Grundsatzdiskussion. In den ersten Ehejahren beginnend mit “Du” Formulierungen, gleichbedeutend mit Vorwürfen, und später mit “ich fühle mich” Satzkonstruktionen. Angelesen von Taschenbuch Eheberatern – klingt etwas netter, ist aber dennoch gleich vorwurfsvoll gemeint. So ein Argumentekatalog ist voll gespickt mit kleinen und großen Triggern, die beim Disskussionspartner den Eindruck erwecken sollen, in seinen Bedürfnissen zu kurz zu kommen.
Mein Lieblingstrigger, bei dem ich mich nicht lange in die Arena bitten lasse, ist einer der beliebtesten Schenkelklopfer der Kerle: die unbefriedigten Sehnsüchte des Mannes. Ich begrenze mich an dieser Stelle auf eine, damit der Artikel nicht zu lang wird. Kurz und knapp: dankbare Frau, die sich um das Wohl des Mannes bemüht und das – in allen Belangen und Räumen der ehelichen Behausung. In Sekunden solidarisieren sich die Männer, tauschen sich aus und stellen vermeintlich immer wieder aufs Neue fest, dass wenn es doch so viele betrifft – muss ja was dran sein! Und damit auch der Dümmste am Tisch weiß, worum es bei diesem Elend geht, werden plakative Klischees auf Stammtischniveau ausgepackt. So wird behauptet, dass osteuropäische und asiatische Damen, vorzugsweise in jungen Jahren, uns deutschen Damen gegenüber, einen Wissensvorsprung besitzen: das Wissen um die wahren Bedürfnisse eines Mannes. Für so viel Wissen kann man in Seitenstraßen und in Bahnhofnähe zahlen oder sich als Langzeitinvestition nach Hause holen. In Kürze und als leichte Kost verpackt, bekommen wir Frauen also vor versammelter Mannschaft unsere vermeintlich übertriebene emanzipationsgesteuerte Dominanz und den fortgeschrittenen Reifegrad vorgehalten. Nach dem kleinen ergreifenden Seelenstrip der Männer geht es dann schnell zur Tagesordnung der Geselligkeit über.
Die üblich folgende Randnotiz der Damen, dass wir Frauen täglich an allen Fronten unseren Mann stehen, somit weder Muße noch Lust haben auf den Mann zu warten, um ihn endlich zur Entspannung zu verhelfen, verpufft. Oder, wird mit dem diskussionstödlichen Allrounder-Argument, unangemessen zickig zu reagieren, vom Tisch gefegt.
Diese Art Konversation dient in der Regel nur dazu, das Unterhaltungsniveau zu senken bevor man relevante Themen ansprechen muss. Wer diese 5 -30 Minuten niveauloses Männergewäsch nicht ertragen kann, für den habe ich eine ganz feine Alternative: Den Sugar Daddy! Verkürzt die ausschweifenden Kalauer, indem ihr den Herren am Tisch mal Eure Sehnsüchte zum Bier serviert: Ein ausgeglichener gereifter Mann, der Euch jüngeren Frau die Welt zu Füßen legt und Euch den Alltag mit Souveränität und Aufmerksamkeit versüßt. Je nach Euren Vorlieben kann auch exemplarisch der Volleyballtrainer des Kindes, mit seinem Wunsch eine MILF flachzulegen, herbeigezogen werden. Schnell verstummt der Trommelwirbel in der Männerrunde. Um den umgedrehten Spieß nicht weiter zu vertiefen, wird die Diskussion direkt zum Sport übergehen.
Wenn wir ehrlich sind, verstehen wir prinzipiell, was der Partner uns mit dieser verletzenden Flanke sagen will. Ob zu Unrecht oder zu Unrecht, fühlt er sich in seinen Bedürfnissen nicht ernst genommen. Kommt uns ja bekannt vor. Wir können diese Provokation dem Frieden willen als Ermessenssache schnell ad acta legen oder aber ausfechten: wer wünscht sich was von wem und wie genau hat das auszusehen?
Die Klügere gibt nach und lässt ihm den Traum, dass seine Frau eines Tages, nur auf Grund seines unermüdlichen Seelenstrips am Stammtisch, daheim in Strapsen auf ihn wartet. So wie er es verdient.
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